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Dr. Jörg Siedenburg
Medical Coordinator
Licensing Division - Central JAA
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Die Zukunft der europäischen
Luftverkehrsvorschriften -
von JAA zu EASA
Von jeher war der Luftverkehr nicht auf
einzelne Länder beschränkt, sondern
grenzüberschreitend.
Die Schwierigkeiten, die sich dadurch
ergeben, sind insbesondere in Europa offensichtlich: In einem
geographisch eng begrenzten Gebiet mit einem Durchmesser von
ca. 4.500 Kilometern leben ca. 380 Millionen Einwohner in 41
verschiedenen Ländern. 317 Milliarden Flugkilometer werden
jährlich zurückgelegt, wobei 41 verschiedene
Rechtssysteme zuständig waren.
Bereits seit Beginn der Fliegerei, mit
Erfolg jedoch erst seit Mitte des vorigen Jahrhunderts kam es
zu ernsthaften Bemühungen, die
Bestimmungen für Luftverkehr und Flugsicherheit
international zu vereinheitlichen. Gründungsdatum der ICAO
war der 07. Dezember 1944 mit der Chicago Convention, in Europa
wurde 1955 die ECAC (European Civil Aviation Conference)
gegründet mit dem Ziel, ein sicheres, effizientes und
dauerhaftes Wachstum des europäischen Flugverkehrs zu
ermöglichen und die Luftverkehrspolitik der
Mitgliedsländer zu harmonisieren.
Nicht zuletzt durch wirtschaftliche
Gegebenheiten
kam es seit Beginn der 1970er Jahre zu
Bemühungen, die Sicherheitsverfahren und Standards auf
europäischer Ebene zu vereinheitlichen und zu
harmonisieren. Dies betraf zunächst Zulassung
(Certification) von Großflugzeugen, später auch
deren Wartung (Maintenance) und erweiterte sich nicht nur auf
einen Großteil der Luftfahrzeuge, sondern auch auf die
Bereiche Flugbetrieb (Operation) und Lizenzierung. Letztere
umfaßt auch die flugmedizinischen
Tauglichkeitsrichtlinien.
Durch das Cyprus Arrangement vom 01. Juli
1990 wurde die JAA (Joint Aviation Authorities) ins Leben
gerufen. Joint Aviation Requirements (JARs) sollten als
alleinige Vorschriften die nationale Vorschriften Schritt
für Schritt ersetzen. Die Vorgaben auf dem Gebiet der
Lizenzierung finden sich in den JAR-FCL (Flight Crew
Licensing), diejenigen zur Fliegertauglichkeit wiederum
in den JAR-FCL 3 (Medical).
Bei der Entwicklung einheitlicher
Vorgaben mußte aus den unterschiedlichsten Vorstellungen
der teilnehmenden Staaten ein neues Regelwerk geschaffen
werden. Hierbei trafen zentralisierte auf dezentrale
Fliegerarzt-Systeme, sehr liberale Regelwerke mit nur wenigen
routinemäßigen Untersuchungen und Schwerpunkt auf
der Anamnese auf solche mit umfangreichen Screening-Tests.
Das vereinbarte englischsprachige
Regelwerk wurde von den Mitgliedsländern in ihre
Landessprachen übersetzt, wobei sich
Interpretationsspielraum ergab.
z.T. erheblich verschärfte
Richtlinien und Durchführungs-verordnungen.
Ein möglicher Schwachpunkt ist die
Tatsache, daß die JAA den Status einer Stiftung hat, die
Mitgliedsländer sich zwar verpflichtet haben, die JARs
einzuführen, diese Verpflichtung jedoch nur den Status
eines "Gentleman's Agreement" hat. Einführung
und Anwendung der vereinbarten, gemeinsamen Richtlinien
können nicht erzwungen werden und eine executive-Funktion
- etwa eine Behörde wie die amerikanische FAA - fehlt.
Durch die EU-Verfügung 1592/2002,
die 2002 von europäischer Kommission und Europa-Parlament
verabschiedet wurde, verpflichteten sich die
Mitgliedländer der EU, gemeinsame Vorschriften zu
erarbeiten und eine europäische Luftfahrtbehörde -
die EASA (European Aviation Safety Agency) - zu gründen.
Die Arbeit wurde im September 2003 aufgenommen,
Durchführungsvorschriften für die Bereiche
Certification und Maintenance von Luftfahrzeugen und deren
Zubehör sowie deren Hersteller wurden erlassen
(EU-Verfügung 1702/2003). Die EASA war zunächst in
Brüssel ansässig und verlegte ihren Sitz im Oktober
2004 nach Köln.
Vorteil einer solchen Behörde ist
die Tatsache eines einzigen Ansprechpartners in Dingen der
Flugsicherheit für die verschiedenen Teilnehmer am
Luftverkehr und einheitlicher Vorgaben für die
Mitgliedsländer und deren einheitliche Durchführung.
Letztendlich wird die JAA durch Abgabe ihrer
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Aufgaben an die EASA irgendwann in dieser
aufgehen. Durch gegenseitige Mitgliedschaft bzw. Mitwirkung und
entsprechende Verträge ist eine enge Kooperation zwischen
beiden Organisationen gewährleistet.
Grundidee der EASA sind bindende
Standards und Vorschriften für die Mitgliedsländer.
Die Arbeitsfelder von Zulassung (Certification) und Wartung
(Maintenance) hat die EASA bereits von der JAA übernommen.
Bis Ende Juli waren die Entwürfe für Essential
Requirements (ER) für Flugbetrieb (Operation) und
Lizenzierung (Licensing) zur Kommentierung veröffentlicht
worden. Diese
werden den gesetzlichen Rahmen für
die Durchführungsvorschriften - sog. Implementing Rules -
bilden.
Bei der Abfassung der ER wurden
mögliche Risikobereiche identifiziert. Hier wurden
beispielsweise Alter der Bewerber oder Einschränkungen der
physischen oder psychischen Leistungsfähigkeit betrachtet.
Die Vorschriften sollen diese potentiellen Risiken minimieren,
andererseits aber nicht über dieses Ziel hinausgehen und
keine unnötigen Einschränkungen verursachen.
Medizinische Rahmenbedingungen finden
sich in den "ER for Pilot Proficiency". Alle
Mitglieder einer Flugzeugbesatzung sollen medizinisch und
physisch gesund sein und nicht an Krankheiten oder
Behinderungen leiden, die die sichere Führung eines
Luftfahrzeugs, die Erfüllung der Aufgaben eines
Piloten oder die Wahrnehmung einschränken könnten. In diesem Bereich ist Flexibilität möglich, wenn die Flugsicherheit durch geeignete Maßnahmen gewährleistet ist. Insgesamt sind für die Privatfliegerei weniger aufwendige Vorschriften vorgesehen. Der Rahmen für fliegerärztliche Tätigkeit und die von AMCs (Aeromedical Centers) wird ebenfalls vorgegeben.
Im Dezember 2004 wird die EASA - nach
Ende der gerade auslaufenden Kommentierungsphase ihres
jüngst überarbeiteten Entwurfs - der
EU-Kommission ihren Vorschlag eines Anhangs III (Pilot
Licensing) zur EU-Verfügung 1592/2002 vorlegen (Anhang I
Airworthiness und Continued Airworthiness, Anhang II
Exemptions, Anhang IV Operations), der dann von Ministerrat und
EU-Parlament bestätigt werden muß. Die neue
EU-Verfügung wird voraussichtlich Mitte 2006 in Kraft
treten.
Für die praktische flugmedizinische
Arbeit sind die zukünftigen
Durchführungs-vorschriften - die Implementing Rules -
interessant. Diese werden im Laufe der beiden nächsten
Jahre erarbeitet werden. Hier wird man nicht "das Rad neu
erfinden", sondern auf die langjährigen Erfahrungen
der Mitgliedsländer und die in langjähriger
Harmonisierungsarbeit entwickelten Vorschriften von JAR-FCL 3
zurückgreifen. Letztere werden wahrscheinlich
übernommen werden. Somit werden die Implemeting Rules
rechtzeitig mit Inkrafttreten der Essential Requirements - etwa
ab Mitte 2006 - fertiggestellt
und von der EASA übernommen werden.
Ende 2006 oder Anfang 2007 wird der Übergangsprozeß
von der JAA zur EASA abgeschlossen sein.
In der öffentlichen
Anhörungsphase der Entwürfe der Essential
Requirements wurde dafür optiert, Freizeitfliegerei nicht
von der Behörde, sondern von den Luftsport-verbänden
regulieren zu lassen. Dies könnte damit nicht-kommerzielle
Fliegerei mit sog. nicht-komplexen Luftfahrzeugen (< 5,7 t,
< 9 Passagiersitze, kein Multi-Pilot-Betrieb, kein
Turbo-Jet-Triebwerk) betreffen, die Bestimmungen hierfür
würden liberaler als die in JAR-FCL-3 (Medical) sein.
Letzteres könnte auch die flugmedizinische Tauglichkeit
betreffen
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