QUELLEN UND UMFANG DER STRAHLENEXPOSITION IN DER
LUFTFAHRT.
Die in der Luftfahrt auf das Personal und die
Passagiere einwirkende ionisierende Strahlung, die 1912 von Viktor Hess
entdeckte Höhenstrahlung, besteht aus den sekundären
Reaktions- und Zerfallsprodukten zweier der drei von außen in die
Atmosphäre eindringenden Komponenten der energiereichen
Weltraumstrahlung.
Die kontinuierlich eintreffende primäre
galaktische kosmische Partikelstrahlung besteht zu ca. 2% aus
Elektronen und zu 98% aus elektrisch geladenen schwereren Teilchen, den
Ionen. Dieser Ionenanteil besteht zu ca. 87% aus Wasserstoff- und zu
12% aus Heliumionen (Protonen und Alphateilchen) mit einem Rest von 1%
schwerer Ionen aller Elemente des Periodensystems und mit einer
Energieverteilung, deren Häufigkeitsmaximum mit dem ca. 11
jährigen Zyklus der Sonnenaktivität zwischen ca. 400 bis 900
MeV/Nukleon variiert.
In den sporadisch durch explosive Entladungen
magnetischer Energien aus der Sonnenatmosphäre in das
interplanetare Magnetfeld geschleuderten Partikelströmen
dominieren ebenfalls die Protonen mit einem in der Regel geringeren und
sehr viel stärker variierenden Anteil schwererer Ionen. Nur selten
treten in diesen SPE (solar particle events) genannten
Teilchenströmen Energien oberhalb weniger 100 MeV/Nukleon auf.
Die Intensität beider Komponenten der
primären Weltraumstrahlung wird durch das Magnetfeld der Erde in
seinem jeweils aktuellen Zustand moduliert. Auf Grund der niedrigeren
Teilchenenergien der weit überwiegenden Mehrzahl aller solaren
Ereignisse sind deren Beiträge zur Strahlenexposition unterhalb
von ca. 55 Grad magnetischer Breite zu niedrig, um ohne
erheblichen Aufwand überhaupt gemessen werden zu können. Die
geographische Variation der Strahlendosis verschwindet in einer
'Plateauregion' oberhalb etwa 60 Grad geomagnetischer Breite
sowohl für die SPE als auch für die galaktische Komponente.
Im 'Ruhezustand' des gegenwärtigen Erdmagnetfeldes sind zum
Äquator hin die Dosen der galaktischen Komponente typischerweise
um den Faktor 3.6 niedriger als in den polnahen Plateauregionen.
Die Strahlendosis steigt in für
Interkontinentalflügen typischen Höhen zwischen 30'000 und
40'000 Fuß um etwa einen Faktor 2.3 an. Diese Schwankungsbreite
entspricht in etwa derjenigen zwischen Zeiten minimaler und maximaler
solarer Aktivität, bei denen die Dosisraten um einen Faktor von 2
bis 2.5 schwanken können.
Die für den Strahlenschutz relevante
Dosisgröße, die "effektive Dosis" mit der Einheit
Sievert (Sv), ist ein über alle Strahlenqualitäten des
Strahlenfeldes und alle strahlenempfindlichen Gewebe des Körpers
gewichteter Mittelwert der entsprechenden Energiedosen.
Die sekundären hochenergetischen Neutronen
mit ihrer großen strahlenbiologischen Wirksamkeit liefern mit um
die 50% den größten Einzelbeitrag zu dieser effektiven
Dosis, die ansonsten von Protonen, Elektronen, Mesonen und
Gammastrahlung erzeugt wird. Gegenüber einer für die
natürliche Umweltstrahlung am Erdboden typischen Dosisrate von
knapp 0.1 Sv/h verursacht die galaktische Komponente in
Reiseflughöhen Dosisraten zwischen etwa 1.5 bis 3 Sv/h in
Äquatornähe und von 3 bis 10 Sv/h in Polnähe, d.h.
insgesamt um einen Faktor 15 bis 100 höhere Dosisraten. Das
führt dazu, daß unter beruflich strahlenexponierten Personen
das fliegende Personal als Kollektiv die höchsten Strahlungsdosen
empfängt. Die für den Strahlenschutz maßgebende,
über ein Kalenderjahr akkumulierte effektive Dosis des fliegenden
Personals liegt mit im weltweiten Mittel um 3 mSv pro Person und Jahr
trotzdem deutlich unter dem zur Zeit gesetzlich zugelassenen Grenzwert
von 20 mSv pro Kalenderjahr und selbst die für medizinische
Zusatzuntersuchungen relevante 'Interventionsschwelle' von 6 mSv pro
Kalenderjahr dürfte nur in seltenen Ausnahmefällen erreicht
oder überschritten werden.
Selbst die - nur theoretisch abschätzbare -
Zusatzdosis, die das größte aller seit einem halben
Jahrhundert beobachteten solaren Strahlenereignisse in einem
Fluggast/Begleiter erzeugt hätte, wenn dieser die gesamte
Ereignisdauer sich in 40'000 Fuß im geographischen Maximum des
Ereignisses aufgehalten hätte, überschreitet mit ca. 1.2 mSv
nur knapp den Grenzwert, der für einen Fötus mit insgesamt 1
mSv für die gesamte Schwangerschaft festgesetzt ist. Schon in
30'000 Fuß wäre diese maximale Ereignis-Dosis mit ca. 0.33
mSv sicher auch unter diesem Grenzwert geblieben. Selbst die
größten aller übrigen, 'normal' großen Ereignisse
bleiben um einen Faktor 10 und mehr unter der Dosis dieses bisherigen
Extremereignisses.